von Christl Lobe
Erfurt lädt ein… auf die Krämerbrücke, zum Bummeln in der Innenstadt, in den Dom und die Severikirche, ins evangelische Augustinerkloster, zur Alten Synagoge, zur Zitadelle Petersburg, in den egapark, in den Zoopark… und je nach Zeit an viele andere Orte, die es wert sind, besucht zu werden.
Nicht zu vergessen das in seiner heutigen Form neugotische Rathaus, dessen Ursprünge aber bis in das 11. Jahrhundert zurückreichen. Den Festsaal hat der Historienmaler Johann Peter Theodor Janssen ausgestaltet und zeigt Bilder der Erfurter Geschichte und der Martin Luthers. Besonders aber kommt der Saal in seiner Pracht zur Entfaltung, wenn er den Rahmen für ein Konzert bietet.
Und hiermit komme ich zur Reise des BLZOs nach Erfurt vom
30.04. – 04.05.2025
Ausgehend von der Erfahrung, wie nachhaltig eine längere Arbeitstagung ist, die als „Wandertag“ bezeichnet wird und somit bereits Gelassenheit und Wohlfühlcharakter spüren lässt, wurde diese AT beschlossen. Zudem verbunden mit dem musikalischen und persönlichen Austausch mit dem Thüringischen Landesorchester, das ab 31.05. auch in Erfurt weilte.
Beim Betreten des Bildungshauses St. Ursula, unserer Unterkunft, knapp zehn Minuten vom Bahnhof entfernt (sehr viele reisten diesmal per Bahn an), umfing uns eine wohltuende Atmosphäre der Stille und Gelassenheit, und wir fühlten uns in diesen Tagen sehr wohl in diesen Räumen.
Schon am ersten Abend lockte uns die Innenstadt, denn in den kleinen Kneipen sorgten Bands für Stimmung und auf den Straßen und den Plätzen herrschte ausgelassenes und munteres Treiben, das auf dem Domplatz um 21.45 Uhr mit dem Entzünden des Maifeuers mit einem riesigen Scheiterhaufen seinen Höhepunkt fand: Hexen und Teufel müssen sich nämlich in dieser Nacht zum 1. Mai, der Walpurgisnacht, geschlagen geben und können den Sieg des Frühlings nicht mehr verhindern. Was für ein Spektakel!
Wir begrüßten den Wonnemonat Mai am Donnerstag mit einem entspannten Probentag, an dem in der längeren Mittagspause bei herrlichem Sommerwetter immer noch Zeit blieb für ein köstliches Eis, eine Stärkung in einem der bezaubernden kleinen Cafés oder einen kurzen Bummel durch die entzückenden Lädchen auf der Krämerbrücke. Als Mitbringsel zählten sicher die Goldhelm-Pralinen zu den Favoriten, daneben Handwerkskunst in Holz und Papier, ein Buch aus dem liebevoll eingerichteten Buchladen und natürlich ganz besonders die wunderschönen Erzeugnisse im berühmten Erfurter Waid-Blau.
In Thüringen lässt sich der Ursprung für Anbau und Nutzung des Färberwaids auf etwa 800 nach Chr. datieren. In den Blättern der Färberpflanze verbirgt sich ein einzigartiges Blau, das Erfurt einst reich machte. In der historischen Altstadt finden sich noch viele Stellen, die dies bezeugen. Am Freitag Nachmittag erwarteten uns nach einer sehr effektiven Probe am Vormittag Führungen für den Dom bzw. für die berühmte Glocke Gloriosa, die im Mittelturm des Doms hängt.
Letztere, die Königin aller Glocken ist die größte freischwingende mittelalterliche Glocke der Welt. Um das zu verdeutlichen, dürfen auch einmal Zahlen sprechen: Sie wurde nach der wechselvollen Geschichte ihrer Vorgängerinnen von Gerhard van Wou in der Nacht vom 7. zum 8. Juli 1497 gegossen und wiegt 11,45 Tonnen bei 2,62 Meter Höhe und einem Durchmesser von 2,56 Meter. Die Glocke läutet nur an ausgewählten Tagen, außerplanmäßig am 3. Oktober 2010, anlässlich des 20. Jahrestages der deutschen Einheit.
Es gibt in Erfurt den Spruch „Wenn die Gloriosa spricht, haben alle anderen Glocken zu schweigen.“
Gemeinsam stiegen wir vom Domplatz die siebzig Steinstufen hinauf, und während eine Gruppe sich mit dem Führer hoch hinauf in den Glockenturm wagte, blieb die andere Gruppe am Boden der Hohen Domkirche St. Marien zu Erfurt, kurz Erfurter Dom, dem wichtigsten und ältesten Kirchenbau in Erfurt und zusammen mit der Severikirche daneben ein Wahrzeichen der Stadt.
Bereits 741/742 bat der hier missionierende Bonifatius den Papst um die Bestätigung der Gründung eines Bistums. Gleichzeitig wurde auch das Bistum Würzburg und Büraburg (bei Fritzlar) errichtet.
Der Dom diente nur kurze Zeit in der Mitte des 8. Jahrhunderts als Bischofssitz und war das gesamte Mittelalter über bis in das frühe 19. Jahrhundert hinein Sitz des Kollegiatstifts St. Marien. Seit 1994 ist er wieder Kathedrale des neugeschaffenen Bistums Erfurt und Sitz des Domkapitels.
Die hoch aufragenden Türme (der Dom ist 81,26 Meter hoch) im gotischen Baustil, das kunstvolle Mauerwerk und im Inneren der spätgotische Glasgemäldezyklus seien nur stellvertretend für all die kunstvollen Arbeiten am Dom genannt. Ungewöhnlich der sogenannte Triangel-Portalvorbau, der als Haupteingang errichtet wurde. Für alle Besucher dort zur Erinnerung und Mahnung neben den zwölf Aposteln die Figuren der klugen und törichten Jungfrauen, flankiert von Ecclesia und Synagoge. Stolz zeigte die Führerin zwei herausragende Kunstwerke: Mit dem „Wolframleuchter“ steht eine der ältesten freistehenden Bronzeskulpturen Deutschlands im Dom, etwa um 1160 datiert, und erinnert zusammen mit der Madonna aus Stuck an die romanische Bauphase.
Am Abend trafen wir unsere Freunde aus dem Thüringischen Landesorchester. Sie waren im Augustinerkloster einquartiert, das, 1559 säkularisiert, heute vor allem als Tagungs- und Begegnungszentrum genutzt wird. Gemeinsam erkundeten wir mit einer kompetenten Führung die geschichtsträchtige Anlage und begegneten hier natürlich Martin Luther, der 1501 für das Jurastudium an die Universität Erfurt kam. Bei einem Blitzschlag (so die Legende) beschloss er, sein Leben radikal zu ändern und lebte ab 1505 im ehemaligen Kloster der Augustiner-Eremiten als Mönch, wo er 1507 auch zum Priester geweiht wurde.
Bei der anschließenden kleinen Stärkung in einem der reizenden Biergärten wurden auch wir von Blitz und Regen überrascht, erreichten jedoch (welche Gelöbnisse dabei abgelegt wurden, konnte nicht recherchiert werden, aber am Ende blieb niemand im Kloster zurück) unbeschadet unser Quartier und ließen den Tag dort mit einigen unserer thüringischen Freunde, die den Fussmarsch durch die Stadt nicht scheuten, ausklingen.
Der Samstag stand dann ganz im Zeichen des gemeinsamen Konzertes um 17.00 im Rathaus, wofür eine gemeinsame Probe der Orchester im Ursulinenkloster angesetzt war. Die Herausforderung, soviele Leute in einem Raum so zu positionieren, dass letztlich jeder und jede spielfähig mit seinem Instrument auf einem Stuhl saß, lösten unsere Dozentinnen mit der ihnen eigenen Bravour!! Das anschließende Getümmel, bis schließlich alle Spieler und Spielerinnen mit den jeweiligen Instrumenten- die meisten zu Fuss mit bangem Blick zum Himmel- vor Ort im Rathaus waren, ist wohl allen nur allzu vertraut.
Aber dann kommt der Moment, wenn die Musik spricht.
Das Landeszupforchester Thüringen stimmt die Zuhörer:innen wunderbar ein mit dem emotionsreichen Stück Rèverie de Poète von Giuseppe Manente, gibt mit Minotaurus von Jürg Kindle Raum für Phantasie, bewegt mit Puccini und erfreut mit wunderbaren Flötentönen bei Olaf Näslund, bevor mit der Milonga und der Samba von Markus Kugler alle mitschwingen und die Hitze im Saal den südamerikanischen Rhythmen zuschreiben. Zu Recht brandet begeisterter Applaus für das Orchester unter dem engagierten Dirigat von Daniela Heise auf.
Nach einer Pause darf das Bayerische Landeszupforchester mit Bachs Doppelkonzert einen virtuosen Auftakt seines Programms darbieten. Anschließend werden die Zuhörer in die sphärische und aufwühlende Musik von Oliver Kälberers Komposition La notte del Principe entführt und dann mit drei Stücken von Griegs Komposition Aus Holbergs Zeit wieder in eine träumerische Atmosphäre versetzt. Südamerikanisch temperamentvoll endet auch dieser Konzertabschnitt mit Stücken von Pedro Chamorro Martínez. Mitreißender Applaus erfüllt den wunderschönen Raum.
Die Zuhörer:innen (und die Spieler:innen) freuen sich jetzt auf den Höhepunkt des Abends, wenn die beiden Orchester (nach logistischem Stühlerücken s.o.) gemeinsam auf der Bühne sitzen. Oliver Kälberer dirigiert Maurice Ravel, Pavane pour une infante défunte und ihm ist anzusehen, wie ergriffen er davon ist, wie aus dem innigen Spiel aller Musik entsteht, die die Herzen berührt.
Der Tango infernal, dirigiert von Daniela Heise, holt dann alle wieder in die Realität zurück und sorgt für einen wahrhaft fulminanten Abschluss, der die Orchester und das Publikum rundum begeistert in den Abend entlässt.
Im Hofbräu am Dom klingt der Tag für alle Teilnehmer:innen aus bei gutem Essen und Trinken und anregenden Gesprächen.
Am Sonntag stand bei den Thüringern proben auf dem Plan und für die Bayern, die noch nicht abgereist waren, eine Stadtführung. Etwas müde von den Tagen aber durchaus wohlwollend erwarteten wir Fakten und Infos zur Geschichte dieser schönen Stadt. – Und dann kam Herbert Kurz! Kurz wie lang, so die Vorstellung, nachdem ein in Bezug auf die Kleidung etwas aus der Zeit gefallener Mann seinen E-Scooter schwungvoll vor uns zum Stehen gebracht hatte und uns einlud, ihm zu folgen. Und dann erlebten wir eine Stadtführung der ganz anderen Art!
Hinabgeführt in dunkle Gemäuer, erhellt durch auserwählte Fackelträger, überzogen uns leichte Schauer bei seiner Geschichte von der Geistermesse, im hohen Turm über eine Wendeltreppe hinauf erschien uns die Heilige Elisabeth mit dem Schäfer Lehmann. Unser Führer erwies sich als kauzig-genialer Schauspieler und Erfinder, der mittels seines Akustohistoriographen (er schleppte dafür einen Koffer mit) historische Gegenstände zum Sprechen bringen und damit zum Leben erwecken konnte, was manche schreckhafte Gemüter immer wieder zusammenzucken ließ. Auf seine Behauptung, er könne mit dem Akustohistoriographen in Hohlräumen hören, erzeugte der spontane Zwischenruf eines Teilnehmers: „Manche können in Hohlräumen denken!“ schallendes Gelächter. So machten wir uns in munterer Stimmung auf zur letzten Etappe in den Kornspeicher, wo Herr Kurz uns mit einem kleinen Theaterstück zur wechselvollen Geschichte der Stadt in Zeiten der Pest eine Kostprobe seiner herausragenden Schauspielkunst gab. Abgemildert wurde hier der Schrecken, indem uns Wein gereicht wurde. Insgesamt wahrhaft ein Genuß!
Ein gemeinsames Mittagessen beschloss schließlich die Tagung. Wunderbare Tage durften wir erleben in dieser schönen Stadt, mit guten Begegnungen, vielfältigen Eindrücken und herrlicher Musik. Ein herzlicher Dank gilt allen, die für das Zustandekommen und Gelingen dieser kleinen Konzertreise verantwortlich waren! Und mit großer Freude haben wir die Verbindung mit dem Thüringischen Landesorchester erlebt und gespürt- im Persönlichen und besonders durch die Musik. Danke!